24. Dezember 2007

Auf ein Neues!

Pünktlich zum Heiligabend ist hier der Schnee gekommen. Also dieses Jahr weiße Weihnacht. Und nun hoffen wir alle auf ein glückliches, friedliches und gesundes Neues Jahr 2008. Den Jahreswechsel werden S. und ich dieses Jahr auf Reisen verbringen.

Foto: P. Rost

19. Dezember 2007

45 Jahre Studentenklub "Kasseturm" in Weimar

Ende November flatterte die jährliche Einladung zum Kasseturm-Jubiläum in´s Haus und am 15. Dezember war es dann soweit - 45 Jahre Studentenklub Kasseturm. Der Kasseturm war gerade in den Anfangsjahren meines Studiums zweite Heimat für mich - beim Ausbau des ehemaligen HO-Kartoffellagers war ich dabei und ab Eröffnung - als Trompeter in der Oldtime Jazzband der HAB. Leider waren außer mir alle Bandmitglieder bereits im 5. Studienjahr und so war die Dixielandzeit bereits nach einem Jahr mit dem Diplom der angehenden Architekten zu Ende. Da ich aber parallel schon in der "bs-Combo" mitmischte, ging meine Amateur-Musiker-Karriere nahtlos weiter - ich brachte in die Rockband Swing und Dixieland ein.

Die Oldtimer zum HAB-Fasching, erkennbar an den selbstgemachten Hemden. Jedes Studienjahr hatte ein eigenes Motiv, deshalb habe ich als einziger ein dunkles Hemd ´(Hans Huckebein auf dem Rücken war unser Studienjahreserkennungszeichen, während die anderen Musiker aus dem 5. Studienjahr eine große Hand vorne trugen, beim Schlagzeuger erkennbar). Der Mann am Banjo war kein Architekturstudent, deshalb das weiße Hemd.
Foto: Archiv P. Rost


Ca. 1962 kam ein junger Schauspiel-Azubi zur Band, die vor der Eröffnung des Kasseturmes in der "Schütze" (Internat der HAB Schützengasse 2) probte und spielte. Sein Name: Reiner Schöne. Mit Banjo und später Gitarre verstärkte er unsere Truppe, vor allen Dingen beim sagenhaften "Archie-Fasching". Da spielten wir fünf Tage und Nächte, aber das ist ein anderes Thema. Reiners weitere Karriere ist ja bekannt. Mitte der 60er Jahre kurz vor seinem Weggang traf ich ihn noch einmal bei Filmaufnahmen im Kasseturm, wo wir als Filmkapelle spielten - später im Film war allerdings nichts von uns zu sehen.

Foto: J. Müller

Und nun zum Jubiläum gastierte Reiner Schöne am Vorabend mit Stories und Songs - am Ort, wo Anfang der 60er Jahre"positive vibes, Good Vibrations, gute Klänge und gute Kumpels" die Atmosphäre prägten. Der Liederabend war ein "Heimspiel" und natürlich war der "lange Tatte" (so sein damaliger Spitzname) auch zur eigentlichen Geburtstagsfeier anwesend; gemeinsam mit einem anderen Kasseurm-Urgestein - Uli Gumpert - gab es eine Blues-Einlage.


Foto: P.Rost

Zur KJB (Kasseturm Jazzband) muß nicht viel gesagt werden, auch Dr. Meffert aus Berlin war selbstverständlich angereist. Aber auch hier eine Erinnerung von mir: An der Trompete spielt seit einigen Jahren mein erstes Vorbild, Erhard Cotta, zuletzt Konzertmeister am Theater Altenburg, jetzt im Ruhestand. Dieser Erhard Cotta, wenige Jahre älter als ich, stammt aus Großengottern bei Mühlhausen und so trafen wir uns schon Ende der 50er Jahre bei Schulparties. Die ersten Tanzmusiknoten bekam ich von ihm, unter anderem den "Mitternachtsblues", den ich wer weiß wie oft geblasen habe. Damals trompetete ich im Posaunenchor der Mühlhäuser Georgii-Kirche und ab der 11. Klasse in der Oberschulband. So trifft man sich wieder, inzwischen sind solche Jubiläen fast so etwas wie "Klassentreffen".

Foto: P. Rost

2. Dezember 2007

1. Advent in Silberstrasse

Wieder einmal waren wir, S. und ich, zu Besuch bei unseren lieben Freunden A. und E. in Silberstrasse. Sonnabends ein Konzert im Robert-Schumann-Haus in Zwickau - Liederabend als Weihnachtskonzert der Robert-Schumann-Gesellschaft Zwickau e.V. mit Simone Ditt, Sopran und Zaruhi Stamboltsyan am Klavier. Dargeboten wurden außer den Weihnachtsliedern op. 8 von Peter Cornelius zwei Liederzyklen nach Texten von Heidi Bergmann, komponiert von Paul Eberhard Kreisel als Uraufführung. Danach kurzer Besuch des Zwickauer Weihnachtsmarktes. Am Sonntag Ausflug nach Hartenstein und Wildenfels. Hier nur ein kleiner Einblick in die Foto-Ausbeute:

Für den Gartenfreund: Ein Garten mit Gräsern in der Nachbarschaft - "Einzug der Gräser und Farne in die Gärten" frei nach Karl Förster.
Schöne Details aus Hartenstein und Wildenfels:


Abend in Silberstrasse:

Wenn das Abendrot
im Westen welkt
das Nebellicht

sieben Schleier
zu weben beginnt
und sich Fluren
mit Finsternis füllen
vernehm´ich
das Flüstern der Rose
die der Wind durchfährt
der angeschlagene Ton

noch einmal hörbar
im Wehen des letzten Blattes
das von der Rose fällt

bevor alle Stimmen verloren
Herbstnacht sinkt
auf traumlosen Grund

Heidi Bergmann aus Herbstzyklus

Alle Fotos: Peter Rost

14. November 2007

Tutanchamun im Glaskasten

"Er war ein gut aussehender Junge mit einem schönen Lächeln und Hasenzähnen." So beschreibt Mustafa Wasiri, Direktor der ägyptischen Ausgrabungsstätte Tal der Könige den Leichnam des Pharao Tutanchamun, der in seinem Grab seit Anfang November nun der Schaulust des Touristenpublikums ausgesetzt wird. In einer klimatisierten Glashülle soll die Mumie des Pharao vor Zerfall und Zerstörung geschützt werden.
Aber warum muß die Hülle durchsichtig sein? Doch offensichtlich nur, um mehr Touristen anzulocken und deren Sensationsgier zu befriedigen. Kristina Bergmann schreibt im Feuilleton der "Neuen Züricher Zeitung", "dass die Ausstellung der Mumie an billige Sensationslust, an abstoßende Enthüllung, ja an Leichenschändung grenzt." Dabei hatte der Totenkult der alten Ägypter genau dies nicht zum Anliegen; die Toten sollten "sicher und gut begleitet in die andere Welt fahren" und nicht zu einer willkommenen Geldquelle für die Nachkommen werden. Spiegel-online: "Das in den Jahrtausenden schwarz gewordene Gesicht soll Touristen in das Tal der Könige im ägyptischen Luxor locken."


Noch ein anderer Aspekt beschäftigt mich, wenn ich die Bilder des toten Pharao sehe: Immer öfter und mit großer Intensität werden unsere Mythen und Geheimnisse entzaubert und in das Licht der Öffentlichkeit gerissen, aus Sensationslust und Geschäftssinn. Da wird z. B. die Titanic aus ihrem Dauerschlaf auf dem 4000 m tiefen Meeresgrund geweckt und gnadenlos ausgeschlachtet. Für ca. 35.000 € ist es möglich, in einer Kapsel zum Wrack hinab zu tauchen. Ken Marschall´s atemberaubende zeichnerische Darstellungen zeigen auch das nicht Sichtbare auf dem Meeresgrund und machen es zum banalen Bestandteil der medialen Sensationen. Eines der großen Geheimnisse, die Kinder und jung gebliebene Erwachsene so lieben, waren Suche und Entdeckung des Felsengrabes des Pharao Tutanchamun. Ich kann gar nicht beschreiben, wie sehr mich als Schüler die Schilderungen der Archäologen über die Ausgrabungen fesselten (in der Kreisbibliothek Mühlhausen hatte mein
großer Bruder ausgeliehen und mich mit lesen lassen: Howard Carter, Arthur Mace: Tutanchamun. Ein ägyptisches Königsgrab. 3 Bde. Leipzig 1927).
Die drei Bände haben mich mehr gelehrt über das Pharaonenreich als all die heute erhältlichen Prachtbände; sie waren authentisch und zeitnah, bei allem blieben Dunkel und Mysterium erhalten und faszinierte. Heute aber wird alles, auch ein Leichnam, ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt und takt- und rücksichtsloser Schaulust preisgegeben.

Nameskartusche des Tutanchamun:links der Thronname: NEB-CHEPERU-RE (Herr der Erscheinungsformen ist Re)
rechts die Namenskartusche: TUT-ANCH-AMUN (Lebendes Abbil
d des Amun)

7. November 2007

Ein Fest der Farbe im Garten geht zu Ende

Seit gestern regnet es und stürmt und damit geht das farbige Herbstfeuerwerk in unserem Garten für dieses Jahr zu Ende. Besonders auffallend jedes Jahr die großen Kostbarkeiten, die Fächer-Ahorne. Immer wieder fasziniert die Veränderung: aus einem dunkelgrünen Sommerblatt (Acer palmatum 'Osakazuki') innerhalb kurzer Zeit im Oktober leuchtend karminrote Blätter entstehen zu sehen, die im Garten weithin sichtbar sind und den Blick auf sich ziehen. Wir haben verschiedene Fächer-Ahorne direkt an der Terrasse am Haus und die beiden rot und grün gefärbten Schlitzahorne an der Terrasse am Gartenhaus gepflanzt, so dass man sie aus nächster Nähe bewundern kann. In Nachbarschaft von großen Steinen wirken sie besonders schön.

Acer palmatum 'Katsura' ist eine Zwergform, bei uns aber schon fast 1,00 m hoch; im Austrieb bronze/orange, im Sommer hellgrün und mit leuchtend orange Herbstfärbung mit vielen Farbnuancen.

Acer palmatum 'Osakazuki' (1998 von H. Hachmann bezogen) mit unübertrefflicher Herbstfärbung in karminrot.

Acer palmatum 'Dissectum Garnet' mit dunkelroter tiefgeschlitzter Belaubung, die dann im Oktober/November zu einem glühenden Rot wechselt.

Der rote Fächer-Ahorn Acer palmatum 'Atropurpureum' (1996 gepflanzt neben einem großen Findling) hat ebenso wie der zierliche Acer shirasawanum 'Aureum' bereits letzten Monat seine Blätter verloren. Alle anderen sind dieses Jahr etwas spät dran, aber der Sturm heute und der Regen werden sie wohl auch entblättern. Allerdings sind sie durch ihre Rinde auch "nackt" interessant anzusehen.

5. November 2007

Bernhard Auge in Weimar

Vor gut 30 Jahren verließ Bernhard Auge Weimar nach Schikanen und Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht. Bis dahin gehörte er zur Jazzfamilie in Weimar und spielte viele Jahre im Hotel "Elephant".
Legendär waren die Freitagabende im Kaminzimmer bei Kerzenlicht und mit Swing, anfangs unter anderem auch mit dem "Schmitz-Trio". Vergangenen Sonnabend trafen wir uns nach über 30 Jahren wieder zur "öffentlichen Probe" im Ilmschlösschen, gemeinsam mit vielen gleichaltrigen Jazzfans. Die TLZ spricht von einem "Klassentreffen", natürlich, da ausschließlich Fans aus den 60er Jahren den bereits von den Bauhäuslern für ihre Faschingsfeiern genutzten Saal bevölkerten.

Bernhard Auge und Capo Mayer am Baß:


Ken Stewart am Schlagzeug:

Die gespielten Titel - überwiegend Evergreens aus dem klassischen Jazz-Themen-Repertoire - bewiesen wieder einmal ihre swingende Kraft und musikalische Originalität. Und man erinnert sich mit Wehmut, daß es in den 60er Jahren so viele Möglichkeiten in Bars und Tanzcafe´s gab, auch und vor allem in Weimar, um solche Musik zu hören und danach zu tanzen. Leider ist diese Kultur nicht mehr präsent; immer noch präsent aber ist diese Musik.

Solcherart "Klassentreffen" schaffen aber immer auch überraschende Begegnungen: diesmal freute ich mich auch Heini Lindauer wiederzusehen, den Mann mit der ersten elektronischen Orgel in Weimar - selbstgebaut und mit Röhren bestückt - was für ein Klang!
Hier ein Bild vom HAB-Fasching mit der
"Jansig-Combo" 1961 und Heini heute:













(Übrigens: Der Mann am Baß - im Hintergrund verdeckt - ist Bernhard Auge!)
Am Sonnabend gab es noch eine kleine Überraschung: Bernhard Auge hatte ein 1807 gedrucktes, von Großherzog Carl August genehmigtes Gesangbuch mitgebracht, das von der Ilmschlösschen-Wirtin Christine Klostermann der Herzogin Anna Amalia Bibliothek als ein "Bausteinchen" übergeben werden soll.

Alle Fotos: Peter Rost

28. Oktober 2007

Magnolie im Herbst

Wir haben in unserem Vorgarten vor über 20 Jahren eine Magnolie gepflanzt, eine Magnolia x soulangiana. Erst nach 15 Jahren begann sie zu blühen und ist im Frühjahr ein wundervoller und aparter Schmuck von Haus und Garten. Jetzt im Herbst kann man ein Schauspiel beobachten: das Öffnen der Samenkapseln.

Jedes Jahr öffnen sich die Balgfrüchte und geben die von einem roten Mantel umhüllten Samen frei.


Die Frucht ist eine holzige, aufspringende Balgkapsel, aus der später die Samenkörper an einem Faden herunterhängen.

Die Samen landen in aller Regel auf dem Gartenboden und kommen nicht zur Keimung. Jedenfalls habe ich noch nie einen Keimling gefunden.

Die Vermehrung der Magnolie ist schwierig und mir bisher noch nie gelungen. Die Samen müssen stratifiziert werden, d.h. sie werden in Gefäßen oder in der Erde in dünner Schicht auf eine Sandunterlage ausgebreitet, mit einer weiteren dünnen Schicht überdeckt und ca. ein Jahr lang so gehalten. Danach kann man aussähen, muss aber das rote Fruchtfleisch von den Samen entfernen. Wie gesagt, dies ist mir noch nicht geglückt.

27. Oktober 2007

Dieter Schmidt 1942 - 2007

Vor fast 50 Jahren, im November 1959, wurde an der Friedrich-Schiller-Oberschule Weimar eine Band gegründet, die nach den musikalischen und geschäftlichen Leitern b (Bennewitz) und s (Schmidt)-combo genannt wurde und die bis weit in die 70er/80er Jahre in wechselnden Besetzungen spielte (bis 1972 war ich dabei, als Trompeter, Arrangeur und zeitweilig auch Bandleader). Klaus-Jürgen Bennewitz ist schon vor Jahren verstorben, nun folgte ihm auch der andere Bandgründer Dieter Schmidt und heute trafen sich Verwandte, Freunde, Kollegen und auch ehemalige Musikanten zur Trauerfeier auf dem Hauptfriedhof in Weimar. Allein die anwesenden Musiker hätten heute mehrere Bands besetzen können. Dieter war in Weimar stadtbekannt und hatte einen großen Freundeskreis.

Die neugegründete bs-combo 1959. Dieter Schmidt am Bass, "Benno" Bennewitz am Akkordeon.

Mein Einstieg war im Jahr 1961, nachdem ich während des "praktischen Jahres" vor dem eigentlichen Architekturstudium 1960 in der "Old Time Jazz Band" der HAB Weimar bis zu deren Auflösung mitwirkte. Dieter Schmidt leitete die bs-combo auch im denkwürdigen Mai 1965, als wir beim 2. zentralen Leistungsvergleich der Amateurtanzorchester der DDR in Magdeburg einen vorderen Platz
belegten und als beste Band des damaligen Bezirks Erfurt ausgezeichnet wurden. Beim heutigen traurigen Anlass traf ich auch Artur Jansig - die "Jansig-Combo" im Klubhaus "Michael Niederkirchner" (heute "Volkshaus") und die "bs-combo" im "Ami", dem Jugendklubhaus, waren in den 60er Jahren die dominierenden und besten Bands in Weimar. Trotz Konkurrenz verband uns immer freundschaftliches Interesse und gegenseitige Anerkennung.

Vor zwei Jahren trafen sich auf Dieter´s Einladung nochmal die Gründer der bs-combo, ein Bericht darüber war in der Zeitung "Hallo Weimar zum Sonntag" vom 16. April 2005 zu lesen.

Die bs-combo 1961.
"Sterben ist nur eine Übergang aus dieser Welt in die andere, als wenn Freunde über See gehen, welche dennoch in einander fortleben. Denn Diejenigen, die im Allgegenwärtigen lieben und leben, müssen notwendig einander gegenwärtig seyn. In diesem göttlichen Spiegel sehen sie sich von Angesicht zu Angesicht und ihr Umgang ist sowohl frey als rein. Und wenn sie auch durch den Tod getrennt werden, so haben sie doch den Trost, das ihre Freundschaft und Gesellschaft ihnnen, dem besten Gefühle nach, beständig gegenwärtig bleibt, weil diese unsterblich ist."

William Penn: Früchte der Einsamkeit, Zweyte Abtheilung.
(Übersetzung von Friedrich von Schiller 1803)

Keep swinging, Dieter!

23. Oktober 2007

Kleine Nachlese zum Zwiebelmarkt

Schnell noch eine kleine Nachlese zum 354. Weimarer Zwiebelmarkt, bevor der Bundespräsident kommt und der Rummel um die Herzogin Anna Amalia Bibliothek beginnt:

Jedes Jahr dabei: die "Kopenhagen Steel Band."

Jedes Jahr auch dabei: OB und Zwiebelkönigin.


Und immer dabei: Die Rostbratwurst (nicht nur zum Zwiebelmarkt).


Und besonders schön: luftige Schmetterlinge.

Alle Fotos: Peter Rost

22. Oktober 2007

Großherzogliche Bibliothek, Landesbibliothek, Zentralbibliothek der Deutschen Klassik,Herzogin Anna Amalia Bibliothek

Foto: Peter Rost

In diesen Tagen wird in allen Medien über die Wiedereröffnung der Anna Amalia Bibliothek in Weimar nach Brand und Sanierung berichtet; die Fernsehübertragungswagen sind aufgefahren und auf der Wiese vor Schloss und Bibliothek wartet ein großes Zelt auf die Ehrengäste.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, an einen Mann zu erinnern, dessen Leben unmittelbar mit dieser Bibliothek aufs Engste verflochten ist, der aber dennoch in der Geschichte des Hauses nur am Rande erwähnt wird, obwohl er sein ganzes berufliches Leben zwischen den Büchern und Bildern der Bibliothek verbrachte:

(Foto: Archiv Rost)

Am 1. Dezember 1905 trat Dr. Paul Ortlepp nach Beendigung seiner Studienzeit bei der damaligen Großherzoglichen Bibliothek als Volontär ein. Er hatte Kunstgeschichte, Philologie und Philosophie in Jena, Heidelberg und Berlin studiert und promovierte 1906 in Jena mit einer Arbeit über Sir Joshua Reynolds zur Geschichte der Ästhetik des 18. Jahrhunderts. 1907 wurde er zum Bibliothekar ernannt und wirkte unter den Direktoren Paul v. Bojanowski und Werner Deetjen. Bedeutsame Leistungen waren 1911 der Katalog der Kaiserin-Augusta-Ausstellung sowie Arbeiten über Schillers Privatbibliothek und Schiller als Nutzer der Großherzoglichen Bibliothek.


Die Rassenpolitik des III. Reiches machte auch vor Familie Ortlepp nicht halt: In einem Schreiben des Reichsstatthalters in Thüringen an den Thüringer Ministerpräsidenten vom 22. Juni 1937 empfiehlt ein Dr. Oberländer, den Bibliotheksrat Dr. Paul Ortlepp nicht in seiner Stelle zu belassen, "Anlass dazu ist eine ungünstige politische Beurteilung über Ortlepp." Auch Denunziationen von Nachbarn werden erwähnt, die Ehefrau ist Jüdin. Im Zuge des "Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" wird Paul Ortlepp zum 31. Dezember 1937 in den Ruhestand versetzt, da er die Trennung von seiner jüdischen Ehefrau verweigert. 1943 wird Lucy Ortlepp in Auschwitz ermordet.

1945 wurde Dr. Paul Ortlepp rehabilitiert und von Hermann Brill am 12. Mai 1945 zum Direktor der Landesbibliothek ernannt. Seine Pläne zur Entwicklung der Bibliothek konnte er nicht mehr umsetzen; am 24. Juli 1945 starb er frisch operiert an den Folgen der Räumung des Sophien-Krankenhauses durch die Rote Armee. In seinem Beitrag "Die Thüringische Landesbibliothek 1919 - 1968" ("Herzogin Anna Amalia Bibliothek - Kulturgeschichte einer Sammlung" 1999 Stiftung Weimarer Klassik) schildert Roland Bärwinkel, wie Ortlepp das in Kisten und Körben verpackte Hab und Gut einer Jüdin, Susanne Türk, die im Oktober 1933 aus Deutschland fliehen mußte, in der Bibliothek neben der Habe Maria Pawlownas unterbrachte und so über die Nazizeit rettete.

Arbeitsplatz in der Bibliothek (Foto: Archiv Rost)

Wenn am 24. Oktober 2007 die Wiederauferstehung der (nunmehr) "Herzogin Anna Amalia Bibliothek" gefeiert wird, soll dieses Schicksal stellvertetend an die wechselvolle Geschichte des Hauses und seiner kostbaren Bücher erinnern.

Das Wohnhaus der Familie Ortlepp 1927 in Weimar - damals auch ein Stein des Anstosses. Heute wohnen wir darin. Aber das ist bereits eine andere Geschichte. (Foto: Archiv Rost)

5. Oktober 2007

3. Oktober 2007

Dieser Tag sollte ein besonderer sein und ist inzwischen Alltag geworden. Dankbar erinnert man sich an die ungewöhnlich warme Oktobernacht vom 2. zum 3. Oktober 1990, als wir mit vielen Weimarern und Gästen von "drüben" Bank und Tisch in der Altstadt belegten und dem ungewissen Neuen entgegen sahen. Unser neugegründetes Architekturbüro war bereits 3 Monate alt, Arbeit war da in Hülle und Fülle und eine große Aufbruchstimmung war allerorten zu spüren. Beim Betrachten der Bilder von den offiziellen Feierlichkeiten am heutigen 3. Oktober in Schwerin überdecken die vielen zwischenzeitlichen Entwicklungen die Festtagslaune.

Ein Geschenk bekam ich aber: Am späten Abend erwischte ich eine Sendung des Bildungskanals des Bayerischen Rundfunks BR alpha (einer meiner Lieblingssender) über Jazz in der DDR. Es handelte sich um die Wiederholung einer Sendung des SWR von 1988, moderiert von Karl-Heinz Drechsel. Darunter eine Aufnahme mit der Free-Jazz-Formation "Zentralquartett" (!) mit Conny Bauer, Petrowski, Baby Sommer und - natürlich: Uli Gumpert. Uli´s musikalische Anfänge während des Studiums in Weimar fielen in meine aktive Zeit Anfang der 60er Jahre und wir haben zeitweise gemeinsam in der Oldtime Jazz Band der HAB Weimar gespielt. Unser größter Auftritt war ein Jazzkonzert gemeinsam mit einer polnischen Dixieland-Band im Saal der Verwaltungsschule vor vollem und begeistertem Haus und natürlich waren wir beim legendären Weimarer Hochschulfasching immer dabei.


Das letzte Mal haben wir uns 2004 getroffen - beim Konzert in der "Alten Mälzerei" in Eisenach im Rahmen der 11. Thüringer Jazzmeile - "Uli Gumpert´s Hammond Organ Projekt" mit Uschi Brüning und Ernst-Ludwig Petrowski war angesagt und groß war die Wiedersehensfreude. Solche Musikerfreundschaften halten oft ein Leben lang, auch wenn man sich selten sieht und die Wege irgendwann auseinandergehen.


Ein Foto aus den "wilden 60ern".

16. September 2007

Ein neuer Abschnitt

"In wunderlichem Bogen wuchs der Birke Ast zunächst nach unten, dann nach oben."
So beginnt Christiane Weber ihren Beitrag in "Villen in Weimar (2)" über unser Haus und seine früheren Bewohner. Den "anmutigen Haken" hat ein überlebender Ast einer vor langer Zeit abgebrochenen Birke an der Straßenseite des Grundstücks geschlagen, der vom Lebenswillen des morschen Baumstumpfs zeugte und seltsamerweise jedes Jahr von Neuem ergrünte, obwohl der Rest des Baumes schon weitgehend abgestorben war. In diesem Jahr aber vertrocknete dieser Ast ebenfalls und endgültig; er drohte auf Passanten und Autos abzustürzen und so mussten wir dieses Wahrzeichen schweren Herzens beseitigen lassen. Verbunden damit haben wir auch Linde und Pappel vor unserem Haus einer fachmännischen Verjüngung unterzogen, im Herbst folgen die sehr alten Obstbäume im Garten. Nach fast 40 Jahren, in denen unser Garten nach vielem Auf und Ab seine heutige Gestalt erhielt, wird der Einsatz von Säge und Schere dringend notwendig, um Gehölzen u
nd Pflanzungen mehr Licht und Luft zu verschaffen und neues Wachstum anzuregen. Zur Pflege gehört auch das Schneiden und Ausgraben; nicht alles entwickelt sich nach den Vorstellungen des Gärtners und so muss er dann und wann eingreifen.

Zufällig fällt diese Verjüngungskur auf einen Zeitpunkt, der auch einen neuen Lebensabschnitt bei S. und mir einläutet: In diesem Jahr beenden wir unsere beruflichen Laufbahnen und wechseln schrittweise in den "Pensionärs-Status", wobei dies nicht mit "Ruhestand" gleichzusetzen ist. Beide wollen wir uns auf unseren Arbeits- und Interessengebieten weiter beschäftigen, nur in anderem Rahmen und mit neuer Schwerpunktsetzung. So soll die Veränderung im Erscheinungsbild unserer Bäume gleichsam den Beginn eines neuen Abschnittes in unserem Leben markieren. Vorläufig sind wir vollauf damit beschäftigt, uns wieder an uns ohne Kinder, Arbeit und Verantwortung zu gewöhnen.

Die lange Pause in diesem Blog war dem diesmal ausführlichem Jahresurlaub geschuldet; demnächst mehr über Erlebnisse und Entdeckung im Norden unseres Landes.

7. August 2007

Fundstück



Immer wieder gibt es Klagen über unvorsichtiges und nicht regelgerechtes Verhalten der Weimarer (insbesondere studentischen) Radfahrer gegenüber Fußgängern. Offensichtlich ist das keine neue Erscheinung; bereits 1923 schreibt die Landeszeitung:

" Rüpelhaft benahm sich Donnerstagnachmittag in der Windischenstraße ein Radfahrer gegenüber einem ruhig seines Weges gehenden Herrn, den der scheinbar mehr als unsichere Radfahrer beinahe angefahren hatte. Trotzdem der Herr gar keine Notiz von dem Sonntagsradfahrer nahm, ließ dieser eine widerliche Schimpfkanonade los, die bewies, wie roh und ordinär heute manche Menschen sein können. Eigentlich sollten derartig unsichere Radfahrer sofort polizeilich festgestellt werden, denn manchmal stellen sich dabei die sonderbarsten Überraschungen heraus."

Anmerkung:
Diesen Zeitungsausschnitt hat wohl auch unser Innenminister gelesen und daraufhin seinen Vorschlag für "Verdachtsunabhängige Pauschalkontrollen" gemacht. Wie das aussieht, beschreibt Udo Vetter in seinem "law blog" vom 19. Februar 2007:
"Die niedersächsische Polizei sperrte in der Nacht zum Samstag bei Göttingen die komplette A 7 in Fahrtrichtung Hannover. Sechs Stunden lang wurden alle Autofahrer auf die Raststätte Göttingen-Ost umgeleitet und von 120 Polizisten überprüft.... Parallel zur Großkontrolle auf der Rastanlage kontrollierten weitere Funkstreifen die an den Anschluss- stellen Hann-Münden und Dramfeld abfahrenden Verkehrsteilnehmer. Der Vollsperrung zeitlich versetzt vorgelagert war darüber hinaus eine Geschwindigkeitskontrolle.... Die Totalkontrolle war Teil der Aktion "Don´t drug & drive".

26. Juli 2007

Die Deutsche Bahn AG und die nackten Musen

Die TLZ vom 26.07.07 hat das Plakat "entschärft".




Die Deutsche Bahn AG lehnte es ab, das Werbeplakat des Stadtmuseums Weimar für die Ausstellung mit den Stereo-Aktfotos von Heinrich Plühr in ihren für Reklamezwecke eingerichteten Schaukästen in der Bahnhofshalle Weimar auszustellen. Begründung: "Verstoß gegen Anstand, Sitte und Moral". Bei der Deutschen Eisenbahnreklame in Kassel wurde der TLZ auf Nachfrage erklärt: "zu sexistisch". Das Plakat zeigt eines der nackten Modelle Plührs - eine Kunstfotografie von 1890. Man sollte es nicht glauben - so eine Auffassung im Jahr 2007!

Zwanzig Meter weiter - im Zeitungsshop der Bahnhofshalle - ist eine ganze Regalwand wie überall in solchen Shops und Kiosken "prall" gefüllt mit den aufreizendsten Darstellungen auf den Titelblättern der einschlägigen Magazine und Hefte - das zeigt die ganze Scheinheiligkeit und Dummdreistigkeit der Verantwortlichen der Bahn: was dem Verkaufserfolg dient, und sei es noch so primitiv und abstoßend, wird toleriert; aber eine künstlerische Darstellung von für heutige Maßstäbe geradezu harmloser Natürlichkeit wäre den Bahnkunden nicht zuzumuten.

Die Ausstellung im Stadtmuseum Weimar zeigt auch überregional Aufmerksamkeit und großes Interesse - glücklicherweise ist das Publikum weitaus aufgeklärter und aufgeschlossener als die verklemmten Bedenkenträger der Deutschen Bahn AG.
Und noch etwas: Man erinnere sich an das "Nein" der Bahn zur Ausstellung über die Kindertransporte in die Konzentrationslager - auch hier sollten die Bahnhofshallen klinisch sauber bleiben. Im Vorfeld des unseligen Börsengangs der Bahn soll möglichst jede nicht ins Bild passende Aufmerksamkeit vermieden werden.

siehe auch: Post vom 19. Juni 2007 "Nackte Musen".

15. Juli 2007

Ungarische Nacht 2007

Kurzes Resümee:
Wunderschöner Abend mit Atmosphäre im Park, am schönsten nach Sonnenuntergang. Leider Gastronomie und "kulinarische" Versorgung nicht über DDR-Standard mit Papptellern und Plastebechern. Der herrliche Abend lud geradezu ein zum Verweilen und Flanieren auch nach Konzertende; aber die Versorgungsstände schlossen sofort und das Publikum strömte aus dem Park, offensichtlich auf der Suche nach einem gastronomischen Ausklang des schönen Abends in der Weimarer Innenstadt.

Was mich nachträglich beschäftigte, war musikalischer Art: Carl St. Clair begann den Abend, wie denn auch anders, mit Brahms Ungarischen Tänzen Nr. 1, 5 und 6. Alle drei waren für meine Belange zu langsam und ohne ungarisches Feuer dargeboten. Ich besitze zwei Schallplatten mit den Ungarischen Tänzen, eine Aufnahme mit dem Gewandhausorchester Leipzig unter Kurt Masur (aufgenommen 1981 im Studio Paul-Gerhardt-Kirche in Leipzig) und eine mit dem Budapest Festival Orchestra mit Iván Fischer (Hungaroton 1985). Die ungarische Fassung ist ungleich hinreißender musiziert, nicht zuletzt durch den Einsatz einer Zimbel wird der volkstümliche Charakter unterstützt.

Brahms veröffentlichte 21 ungarische Tänze: die ersten Zehn im Jahre 1869, die zweite Serie 1880. Ihre ursprüngliche Fassung: Klavier zu vier bzw. zwei Händen. Die Tänze haben sich in mehr als 100 Jahren in zahlreichen Transkriptionen auf der ganzen Welt verbreitet, leider nicht immer zu ihrem Besten. Iván Fischer schreibt dazu:

"Um die Jahrhundertwende wurden die Ungarischen Tänze unglaublich populär, sie wurden in fast jeder bürgerlichen Familie gespielt. So ist es kein Wunder, daß von fast allen Orchestertranskriptionen gefertigt wurden. In der Hand derer, die sie instrumentierten, wurden aus den einfachen Liedern, den Klageliedern und den frischen Csárdás sinfonische Effektstücke, sie verloren ihre ursprüngliche Würze. Deshalb mußten wir viele Transkriptionen umarbeiten, daß sie uns an Brahms´ Klavierstücke erinnern sollen, mehr noch auf die volkstümliche Intonation, die dem alten Brahms so sehr gefallen hat. Zu den meissten Tänzen improvisiert die Zimbel eine `Begleitung`, deren Praxis sich seit hundert Jahren nicht geändert hat."

Im Konzert musizierte als Gast aus Ungarn auch das Carpatian Folk Quartett. Und als letzte Zugabe wurde einer der Tänze vom Beginn noch einmal gemeinsam aufgeführt - und jetzt spürte man etwas von dem mitreißenden Vortragsstil der Zigeunerkapellen. Entstanden aus den sog. "Verbunkos" (Werbungstänzen, als Begleiterscheinung der Soldatenwerbung in Ungarn um 1750) findet man in den gesungenen oder instrumentalen Tanzstücken Stileinflüsse des Islam, des Nahen Orient, des Balkan und - durch Zigeuner vermittelt - der slawischen Musik neben Elementen neuerer italienischer und Wiener Musik und der traditionellen ungarischen Volksmusik.

Wer also diese Unmittelbarkeit in der Musik liebt, sollte versuchen, diese Hungaroton Platte SLPD 12 571 von 1985 noch irgendwo zu erwerben.

Zum Konzert noch ein Nachtrag: Die Schülerin des Musikgymnasiums Belvedere, Ute Klemm, begeisterte auf der Violine bei Pablo de Sarasate: Zigeunerweisen für Violine und Orchester op. 20.

28. Juni 2007

Hannah Höch in Berlin - Teil 2

Ausstellung "Hannah Höch - Aller Anfang ist DADA"

Einer der bedeutendsten deutschen Künstlerinnen der klassischen Moderne, der in Gotha geborenen Hannah Höch (1889 - 1978), ist die Ausstellung "Hannah Höch - Aller Anfang ist DaDa!" (vom 6. April bis 2. Juli 2007) gewidmet. Gerade noch rechtzeitig vor Schließung der Ausstellung konnten wir (die Familie) die großartige Schau mit ca. 160 Arbeiten aus allen Werkperioden, aber vorrangig aus der dadaistischen Phase und der Zeit nach 1922 erleben. Für meine eigenen Versuche auf dem Gebiet der Collage sind Hannah Höch und Kurt Schwitters die entscheidenden Vorbilder und Anreger - und so war ich sehr gespannt auf die Ausstellung.

Nach dem Tod der Künstlerin konnte die 1975 gegründete Berlinische Galerie ihr umfangreiches Archiv erwerben - es enthält neben den Kunstwerken biografisches Material, die Korrespondenz der Malerin sowie Manuskripte, Bücher und Fotografien, Vorlagenalben und sonstige von ihr gesammelte und aufbewahrte Untrelagen aller Art. Das Archiv wird in einer mehrbändigen Edition "Hannah Höch. Eine Lebenscollage" veröffentlicht. Die ersten beiden Ausgaben umfassen die Jahre 1889 - 1920 und 1921 - 1945 und befinden sich bereits in meiner Bibliothek.

Einige Aspekte haben mich besonders berührt:

Kubus 1926
Erstens die gezeigten großformatigen Ölbilder. Bisher habe ich die größeren Bildwerke weniger beachtet - Hannah Höch thematisiert die in den 20er Jahren aktuellen Beziehungsprobleme zwischen Mann und Frau sowie Rollenerwartungen und Geschlechterstereotype und ihre Collagen bedeuteten mir rein formal mehr. In dieser Ausstellung werden aber aus der Collage kommende surrealistische und nur ästhetischen Maßstäben verpflichtende Darstellungen mit rein abstrakten Kompositionen gezeigt, die mich tief berühren und einen ganz neuen Blick auf die künstlerische Qualität dieser ermöglichen. Mit dem abstrakten Expressionismus dieser Bilder ist sie voll auf der Höhe der Zeit.

Zweitens: Hannah Höch hat oft farbige Motive aus Illustrierten und Katalogen als Ausgangsmaterial für ihre Collagen genutzt. In der Vorkriegszeit sind diese Farbdrucke aus der Warenwelt noch vergleichsweise wenig farbintensiv und oft verschwommen. Dazu kommt die natürliche Alterung der verwendeten Papiere, sodass eine milde Patina auf den Collagen aus dieser Zeit liegt. Ebenso geht es mir - ältere Bildwerke aus den 60er und 70er Jahren sind schon etwas verblichen und expressive Farben gemildert. Dabei gewinnen die Papierbilder; ich habe sogar schon vergilbte Papiere für meine Collagen verwendet, um diesen Effekt zu erzielen. Collagen aus Papieren heutiger Hochglanzillustrierten zeigen zu farbige, glänzende und scharfgezeichnete Darstellungen, die eine ganz andere Collagetechnik und -aussage voraussetzen. Sie kommen vor allem bildhaften, erzählerischen Motiven entgegen, bei rein abstrakten Gestaltungen sind sie mit Vorsicht zu verwenden.

Die Ausstellung zeigt zwei DaDa-Puppen der Hannah Höch; Puppen sind bei vielen Künstlern eigene Werkgruppen, die vielleicht nicht den Anspruch großer Kunstwerke erheben, aber doch die künstlerische und gesellschaftliche Entwicklung dieser Jahre spiegeln. Ich denke da an Paul Klee, der zwischen 1916 und 1925 für seinen Sohn Felix rund 50 Handspielpuppen fertigte oder an Pablo Picasso, der in den 50er Jahren mit den Puppen für seine Tochter Paloma wahre Meisterwerke schuf. Puppen waren auch oft Gegenstand der künstlerischen Auseinandersetzung, so wie bei den Weimarer Malern Alexander von Szpringer (1889 - 1969) und Otto Herbig (1889 - 1971). Diesem Thema - Künstler und Puppen - sollte man einmal nachgehen.

Diese Ausstellung hat wieder Lust auf Arbeit geweckt, seit den 80er Jahren habe ich wenige Collagen gefertigt und einige Motive liegen noch unvollendet im Schrank. Seit der Wende hatten andere Dinge Priorität, aber nun zeichnet sich langsam wieder Zeit und Gelegenheit ab. Für diese umfassende Werkschau der Hannah Höch bin ich sehr dankbar.

Hannah Höch in Berlin - Teil 1

Berlinische Galerie - Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur


Am 23. und 24. Juni 2007 war endlich kurz vor Toresschluss Gelegenheit zum Besuch der Hannah-Höch-Ausstellung in der Berlinischen Galerie - am 2. Juli schließt die Ausstellung.

Dieses "Kunst Museum Berlin" war für uns eine große Entdeckung; für mich als Architekt interessierte natürlich auch das Gebäude in der Alten Jakobstraße 124 - 128 in Berlin-Kreuzberg. Ein ehemaliges Glaslager von 1965, eine 11 m hohe Halle mit einer Grundfläche von 60 x 60 m, mit Bürogebäude und Vorbau innerhalb eines Wohngebietes, das in den 80er Jahren im Rahmen der IBA entstand, wurde nach Entwürfen des Architekten Jörg Fricke als Museum in nur einem Jahr Bauzeit umgebaut und am 22. Oktober 2004 eröffnet. Der Entwurf Frickes hat die schlichte Klarheit des industriellen Zweckbaus weitgehend erhalten. Der Innenraum der Halle mit 10 m Höhe wird durch ein eingebautes Galeriegeschoss in zwei Ebenen gegliedert und durch eine diagonal verlaufende den Raum kreuzende Freitreppe erschlossen. Die obere Ebene ist weitgehend wandfrei, um variable Aufstellungen von flexiblen Stellwandsystemen zu ermöglichen.

Für den Außenraum wurde gemeinsam mit der Senatsverwaltung ein Wettbewerb zwischen eingeladenen Künstlern ausgelobt, in dessen Ergebnis zwei Gestaltungsvorschläge realisiert wurden:

- Die Bodengestaltung und Möblierung übernahm das Architektenteam Kühn Malvezzi. Das auf dem gesamten Vorplatz angelegte 80 m lange Buchstabenfeld (gelb auf schwarz) zeigt die Namen von in der Sammlung des Museums vertretenen Künstlern.
- Der Berliner Künstler Fritz Balthaus entwarf mit seinem Vorschlag "marked space - unmarked space" eine Gestaltungskonzeption für das gesamte Gebäudeensemble.


Blickpunkt der Außenanlage ist eine große Plastik des Bildhauerpaares Brigitte und Martin Matschinsky-Denninghoff "Dreiheit" 1993 aus Chromnickelstahl-Rohrbündeln, die Assoziationen an naturhaftes Wachstum wecken und auf den Oberflächen vielfältige Effekte von Licht und Farbe ermöglichen.

Das ganze Gebäudeensemble stellt eine meisterhaft gelungene städtebauliche Lösung im Wohngebiet dar und zeigt, welche Möglichkeiten auch bei kleinem Finanzbudget bei Umbau und Anpassung vorhandener Bausubstanz bestehen können, wenn sensibel mit ihr umgegangen wird. Die städtebaulich-künstlerische Gestaltungskonzeption von Fritz Balthaus setzt sich mit dem Thema Präsentation der Kunst auseinander und bindet den Gebäudekomplex in sein Umfeld ein bei gleichzeitiger Betonung der gehörigen Aufmerksamkeit.

Auch zu jedem anderen Zeitpunkt ist das Museum einen Besuch wert, es präsentiert in Berlin entstandene Kunst von 1870 bis heute, also von Secession und Dada bis zur zeitgenössischen kreativen Szene Berlins. Selbstverständliche Angebote wie Sonderausstellungen, Archiv, Bibliothek, Café und Museums-Shop komplettieren das Angebot.

Alle Fotos: Peter Rost

20. Juni 2007

"Die Deutschen werden immer reicher"

Eine alberne Überschrift, glauben Sie? Sehen Sie doch mal, was die Bundesbank im letzten Monatsbericht zum besten gibt: danach hat jeder von uns ca. 200.000 Euro auf der Kante.
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Sixty Five.

19. Juni 2007

"Nackte Musen"

Das Stadtmuseum Weimar zeigt in einer Sonderausstellung "Nackte Musen. Weibliche Aktmodelle um 1900."
Dr. Alf Rößner, Leiter des Stadtmuseums, ist auch Kurator der Sonderausstellung. In eineinhalb- jähriger Arbeit hat er aus dem Nachlass des Weimarer Kunstmalers Heinrich Plühr (1859 - 1953) ca. 500 Glasnegative mit von Plühr angefertigten Stereo-Aktaufnahmen erschlossen und für diese Ausstellung aufbereitet.


Heinrich Plühr, der ab 1883 als Schüler von Max Thedy an der Weimarer Kunstschule studierte, gilt als letzter Künstler der Weimarer Malerschule. Sein künstlerisches Werk ist heute in Weimar nahezu in Vergessenheit geraten. Nach einer Lithographenlehre arbeitete er später als Photograph und "Retoucher." Diese Kenntnisse setzte er bei seinen Stereofotos als Vorstufe für Gemälde ein; sie haben einen eigenen künstlerischen Stellenwert und zeigen Heinrich Plühr als Meister auch dieser künstlerischen Technik. Die Bilder stammen größtenteils aus der sog. "Böcklin-Phase" des Malers, einer Schaffensperiode um 1900 bis zum Ende des 1. Weltkrieges, in der sich Plühr an den Werken Arnold Böcklins (1827 - 1901) orientierte.

Die Ausstellung zeigt Fotoabzüge der Stereofotos; als besondere Attraktion aber Stereoskopien auf Glas in einem großen schwarz bemalten Holzkasten mit Lochpaaren zum Hineinsehen. Neben diesen Stereo-Foto-Karten, die man mit Lorgnetten (einfachen Prismen-/Lupenbrillen) betrachten kann, wurden die Originalfotos vergrößert als Anaglyphenbilder aufbereitet. Bei dieser Technik wird jedes Halbbild jeweils mit einer Komplementärfarbe versehen übereinander projiziert oder gedruckt und mit einer Brille in genau diesen Farben betrachtet: rot - links, cyan - rechts. Dieses Anaglyphenverfahren (Anaglyph = reliefartig, ziseliert, erhaben) entwickelten unabhängig voneinander 1853 der Naturwissenschaftler Wilhelm Rollmann und 1858 J. Ch. D´Almeida.

Die Aufbereitung der Stereofotografien für die Ausstellung übernahmen Jürgen Postel und Peter Kaiser (Perspectrum Nürnberg) für die Echtfarben-Anaglyphendarstellung. Letzterer hat auch kleine Betrachtungsstereoskope aus Pappe mit eingeklebter "Nackten" angefertigt, die käuflich erworben und als Postsendung verschickt werden können

Die Ausstellung wird komplettiert mit einigen Porträts von Heinrich Plühr und Ausstattungsgegenständen aus den Beständen des Stadtmuseums, um die intime Atelieratmosphäre zu unterstreichen, in der die Fotos entstanden sind. Ein ausführlicher Katalog mit der stereoskopischen Wiedergabe aller Aktfotos (500 nummerierte Exemplare wurden aufgelegt) vervollständigt diese kleine, aber feine Ausstellung. Sie ist geöffnet vom 9. Juni bis 9. September 2007.

Heinrich und Emma Plühr 1895Heinrich Plühr und auch seine zweite Ehefrau Katharina verbrachten ihre letzten Lebensjahre in Weimar in Armut. Völlig mittellos erhielten sie erst 1951 (Heinrich Plühr) bzw. 1954 (Katharina Plühr) Altersrenten von 65,- bzw. 80,- DM. Plühr starb am 5. Januar 1953. Seine Grabstätte ist inzwischen neu belegt.

Nachbemerkung: Wer sich für Stereofotografie interessiert, findet alles erforderliche Zubehör bei Peter Kaiser in Nürnberg in seinem Perspektrum 3D-Shop (perspektrum.de). Informativ auch 3dphoto.