25. April 2007

Blech um die Kirche

Unsere schöne Stadt Weimar hat einen großen Vorzug: Altstadt und spätere Stadterweiterungen drängen sich auf engstem Raum. Das hat zur Folge, dass der Fußgänger in einer halben Stunde von einem Ende der Stadt zum anderen gelangen kann und Weimar damit eine Stadt der kurzen Wege ist. Nun sollte man denken, dass die Volksvertreter dafür sorgen, dass für Einheimische und Touristen die Schönheit der Stadt erlebbar bleibt. Nichts da; ständig wird von Fraktionen des Stadtrates um die Ausweitung des Fahr- und Parkangebotes in der Innenstadt gekämpft. Da dem Individualverkehr mit Auto und zu Fuß gleiche Rechte eingeräumt werden, ist die Innenstadt mit ihren vielen Sehenswürdigkeiten ständig zugeparkt. Langsam, aber sicher stellt das Privat-Auto, diese "metallene Privatkapsel, die das urbane Leben unserer Städte zum Erliegen bringt" (Hanno Rauterberg), eine wirkliche Bedrohung für den öffentlichen Raum dar, "weil es kaum Straßen oder Plätze gibt, die nicht vollgestellt, vollgelärmt, vollgestunken werden - und damit allen anderen öffentlichen Interessen kaum noch Raum lassen."

Ich will dies am Beispiel des Herderplatzes in Weimar illustrieren: eine einzige Katastrophe, die auch bei der geplanten Neugestaltung des Platzes nicht grundlegend verändert werden wird. Drei Fotos sollen die Übermacht von Blech zeigen, beim dritten handelt es sich um ein Vexierbild. Von einem der schönsten Brunnen Weimars mit neugestaltetem Umfeld ist nichts mehr zu sehen außer Blech, Blech, Blech...

"Schimanski´s" Hemd

Kurz nach 1990 habe ich mir ein jeans-ähnliches Hemd gekauft, hellblau leicht verwaschen mit farbigen Nähten und kleinen Stickereien an den Brusttaschen. An diesem Hemd habe ich sehr gehangen und besonders wertvoll wurde es, als ich anlässlich eines Fernseh-Interviews Götz George in eben diesem Hemd vor der Kamera sitzen sah. Also nur Schimanski und ich hatten solch ein Hemd; ich habe es nie wieder bei anderen gesehen. Leider wurde das Hemd inzwischen durch S. bei einer Razzia nach "untragbaren" Hemden im Kleiderschrank auf Grund seines hohen Verschleissgrades gnadenlos entfernt. Bei Schimanski bin ich mir nicht sicher, ob er wohl immer noch in dem alten Hemd auf Sendung geht.

An diese Episode musste ich denken, als ich dieser Tage in unserer Tageszeitung eine kurze Notiz las, dass Götz George kein gutes Haar mehr an der Krimi-Reihe "Tatort" lässt:
"Früher gab es sechs mal im Jahr einen ´Tatort´. Das war ein Highlight. Heute läuft zweimal am Tag ein ´Tatort´, jeder zweite Schauspieler wird ´Tatort´-Kommissar."
Diese ständigen Wiederholungen haben tatsächlich der Reihe gewaltig Abbruch getan; als alter "Tatort"-Fan war ich bitter böse, als im vorigen Sommer (2006) sogar sonntags zur "Tatort"-Zeit nur noch Wiederholungen alter Sendungen gezeigt wurden. Ich bin gespannt, ob sich dies im kommenden Sommer wiederholt.

Zum Werteverfall im Deutschen Fernsehen nochmals Götz George: "Die Menschen, die heute populär sind, das sind Friseure, Talkmaster und Frauen mit gefärbten Haaren und aufgepumpten Brüsten und - Köche. Köche! Und wenn man zu einem Event eingeladen wird, steht man plötzlich neben Friseuren, Köchen, Telenovela-Sternen und anderen Knalltüten. In dem Punkt bin ich wie Schimanski. Der verbündet sich nicht mit Menschen, die er nicht mag."

13. April 2007

Nachtrag zu Wilhelm Busch

Die Deutsche Post wird Wilhelm Busch 2007 mit Huckebeinmotiven auf den Jugendmarken ehren. Hans Huckebein war übrigens in den 60er Jahren Motiv auf den eigens angefertigten, damals noch gar nicht gängigen T-Shirts unseres Architekturstudenten-Jahrganges zum gemeinsamen Auftritt beim berühmt-berüchtigten Hochschulfasching der HAB Weimar. Jedes Studienjahr hatte ein eigenes Erkennungsmotiv auf den selbstgeschneiderten Hemden.

Das Finanzministerium beteiligt sich ebenfalls bei der höchst willkommenen Vermarktung des Jubilars: mit einer Zehn-Euro-Gedenkmünze aus Silber, gestaltet von Othmar Kukula aus Neuhausen. Der glatte Münzrand enthält in vertiefter Prägung die Inschrift:

"Wer rudert, sieht den Grund nicht."

175. Geburtstag Wilhelm Busch


Letztes Selbstbildnis


Übermorgen, am 15. April 2007 wird der 175. Geburtstag von Wilhelm Busch gefeiert. Das Wilhelm-Busch-Museum Hannover widmet dem Zeichner, Maler, Volksdichter und Schöpfer von Bildgeschichten zwei Ausstellungen und die Stadt Hannover feiert das Busch-Jahr 2007, denn bereits am 8. Januar 2008 jährt sich sein Todestag zum 100. Male.

Wer ist nicht mit den Gestalten seiner Bildgeschichten aufgewachsen, mit Max und Moritz, dem wohl volkstümlichsten Brüderpaar. Das Ende so mancher seiner Figuren war schrecklich und weckte oft zwiespältige Empfindungen in mir. Die Bildergeschichten, wie "Hans Huckebein", "Die fromme Helene" oder "Fips der Affe" machten nicht nur Busch´s Verleger Kaspar Braun reich, sondern auch Busch selbst zum wohlhabenden Mann.
Neben seinem zeichnerischen Werk schuf Busch mehr als 1000 Ölbilder von teilweise hoher Qualität, die aber, von ihm zurückgehalten, erst nach seinem Tod veröffentlicht wurden.

Kritik des Herzens

Ach, ich fühl es! Keine Tugend
Ist so recht nach meinem Sinn;
Stets befind ich mich am wohlsten,
Wenn ich damit fertig bin.

Dahingehend so ein Laster,
Ja, das macht mir viel Pläsier;
Und ich hab die hübschen Sachen
Lieber vor als hinter mir.

Wilhelm Busch

11. April 2007

Schlankheitswahn als Schönheitsideal?


Möchten Sie, dass Ihre Frau/Freundin mit solchen knochigen Stelzen herumläuft? Und abends, weil sie besonders lieb sein will, Ihnen ihre Storchenbeine ins Auge rammt? Eine große Hilfe bei Sport und Spiel mit den Kindern oder der Gartenarbeit sind diese Beine nicht gerade.

Lt. Wikipedia ist "...ein Schönheitsideal eine bestimmte Vorstellung von Schönheit. In der Regel bezieht sich der Begriff auf das Aussehen des menschlichen Körpers und Gesichts... Das im Westen seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts modisch gewordene Schlankheitsideal hat im historischen und interkulturellen Vergleich eher Seltenheitswert."

Die von Wissenschaftlern der Universität York, Ontario (Kanada) publizierte Studie "Thinnes and Body Shape of Playboy Centerfolds from 1978 to 1998" ergab, dass 70 % der untersuchten 240 Playboy-Mädchen mit einem Body-Maß-Index (BMI) von weniger als 18,1 stark untergewichtig waren; 77,5 % wogen weniger als 85 % ihres Idealgewichtes. Das leichteste Playmate wog nur 42,7 Kilogramm, was eigentlich mit sofortiger künstlicher Ernährung wieder aufgepäppelt werden müsste. Sage mir einer, dass bei einem Taillenumfang von 59 cm auch noch eine große Oberweite natürlich wäre: die kann dann nur "künstlich" sein, denn bei Untergewicht ist die Brust eher flach. In die Nähe eines lebensbedrohlichen Body-Maß-Index von unter 13 kommen viele der weltbekannten Models.
Ist das unser Schönheitsideal?
Sind Frauen denn nicht auch so, wie sie individuell sind, schön? Warum das Äußere in eine Form pressen, nur damit alle gleich aussehen? Und wann müssen wir Männer mit solchen Storchenbeinen herumlaufen?

7. April 2007

Noch ein Ostergruß!

Ein kleines Ostergedicht:

"Wer ahnte, dass zum Weihnachtsfest
Cornelia mich sitzen lässt?
Das war noch nichts: Zu Ostern jetzt
hat sie mich abermals versetzt.
Nun freu´ ich mich auf Pfingsten -
nicht im geringsten!"

(Heinz Erhardt)

Frohe Ostern!


Zu Ostern gibt es Ostereier. Warum gerade Eier? Die doch der Osterhase gar nicht legen kann?

Das Ei ist ein Symbol für das Leben, da es Träger des Lebens und der Lebenserneuerung ist. In den mythischen Vorstellungen sehr vieler Kulturen findet sich das Weltenei, das - als Sinnbild der Totalität aller schöpferischen Kräfte - am Uranfang da war und aus dem die gesamte Welt, die Elemente oder zunächst oft nur Himmel und Erde entsprangen. Außerdem ist es ein Schutz- und Abwehrsymbol beim Haus- und Brückenbau und bei Blitz- und Feuergefahr.

Im Christentum gilt das Ei als Auferstehungssymbol, weil Christus aus dem Grab hervorbrach wie das reife Küken aus dem Ei; das Osterei, das bereits bei heidnischen Frühlingsfesten eine Rolle als Fruchtbarkeitssymbol gespielt hatte, erhielt so eine spezifisch christliche Deutung.

"Jesus spricht: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe; und wer da lebet und glaubet an mich, der wird nimmermehr sterben."
(Johannes 11,25)

5. April 2007

Collagen von Wolfgang Hildesheimer

Wolfgang Hildesheimer
Wo wir uns wohlfühlen
Mitteilungen aus Italien und Poschiavo
Ausgewählt von Dietmar Pleyer
Insel-Verlag Frankfurt am Main und Leipzig 2006
Insel-Bücherei Nr. 1284

Für Italien hat Wolfgang Hildesheimer immer wieder Worte der Faszination, ja der Liebe gefunden. Hildesheimer lebte von 1957 bis zu seinem Tode 1991 in Poschiavo, einem Graubündner Städtchen nahe der italienischen Grenze. "Hier ist ein guter Boden für Hildesheimers Schreiben und Malen, aber auch für den Genuss des Lebens: der Begegnung mit den Menschen, ihrer Landschaft und ... ihrer Küche."

Der Herausgeber Dietmar Pleyer hat Textstellen aus Notaten, Schriften, Gesprächen und vielen unveröffentlichten Briefen ausgewählt sowie bislang unpublizierte Bilder und lässt damit "eine geradezu horazische Idylle erstehen." Der kleine Band ist illustriert u.a. mit Zeichnungen und Collagen aus dem Privatbesitz von Silvia Hildesheimer, die noch immer in der Casa Gay (Via dal Convent 58) lebt. Wenig entfernt liegt das "Vecchio Monastero". Dieses Kloster ist heute ein Kulturzentrum mit einer Dauerausstellung der Collagen Hildesheimers. Aus rechtlichen Gründen (Copyright) zeige ich keine Abbildungen. Ich habe bis heute noch keine Monografie über Hildesheimers Werke, insbesondere die Collagen, gefunden.
Dieses kleine Inselbändchen ist wieder ein Meisterwerk, mit Vorbemerkung, in Text- und Bildauswahl stimmig, für so ein schmales Büchlein ausführliche Anmerkungen, Text- und Bildnachweise...
Satz und Schrift Sabon; das Bezugspapier zeigt ein Motiv aus einer Collage Hildesheimers "Flaschen" (1981 - 1986). Es stört einzig der Preis, wie immer bei den neuen Insel-Büchern. Sicher kann man solche Bücher in der heutigen aufwendigen Ausstattung mit teuren Papieren (holzfrei, alterungsbeständig, mattgestrichenes Papier der Fa. Geese, Hamburg) nicht mehr zum Ursprungspreis von 1,25 M herstellen. Aber Sinn und Zweck der Inselbücherei werden mehr und mehr infrage gestellt, je kostbarer die Ausstattung wird. Als langjähriger Sammler und Freund der Insel-Bücherei bedaure ich dies sehr. Natürlich altern meine alten Vorkriegs- und DDR-Ausgaben langsam, aber das tun andere Bücher und ich selbst auch.

Nachtrag zum Buchtipp: Über das Reisen


Hier ein weiteres Zitat aus Pascal Merciers "Nachtzug nach Lissabon" über das Reisen:

"Ein Flugzeug besteigen und wenige Stunden später in einer ganz anderen Welt ankommen, ohne dass man Zeit gehabt hatte, einzelne Bilder von der Strecke dazwischen in sich aufzunehmen - das mochte er nicht, und es verstörte ihn."

Uns geht das mit dem Reisen verbundene Erleben und Entdecken zunehmend ab. Entfernungen spielten in früheren Zeiten eine große Rolle - sie machten das Reisen in entfernte Gegenden beschwerlich, aber auch zum seltenen und unvergeßlichen Erlebnis. Von der mühsamen Fußwanderung bis zum Düsenjet war ein langer Weg; schon der Schritt von der Eisenbahn zum Privat-PKW läßt kaum noch Zeit für das Entdecken und Wahrnehmen der Reiseroute. Dazu Götz Kubitschek ("Politisches Tagebuch"):

"Ich bin ... mit meiner Frau und den drei ältesten Kindern zu einem Urlaub bei Barcelona nicht geflogen, sondern ganz bewusst mit der Bahn gefahren, obwohl das anstrengender und teurer war: Die Kinder sollten nicht den Eindruck bekommen, dass Spanien etwa so weit entfernt sei wie Berlin oder Frankfurt am Main. Sie erfuhren den Wechsel der Dialekte bis nach Basel, erlebten den Wechsel der Landschaft und der Wärme und des Geschmacks der Luft an den verschiedenen Bahnhöfen. Sie stiegen in einen Nachtzug (!) und mussten übermüdet um vier Uhr in der Frühe wieder aufstehen. Mit anderen Worten: Die Entfernung bekam ein Gesicht, eine Bedeutung, die drei erzählen heute noch davon."

Buchtipp

Da steht ein Lateinlehrer mitten in der Unterrichtsstunde auf und verlässt Klasse, Schule und sein geordnetes Leben, setzt sich in den Nachtzug nach Lissabon und macht sich dort auf die abenteuerliche Suche nach dem Autor eines Buches, dessen Inhalt ihn fesselt und nicht mehr loslässt. Auf den Spuren dieses faszinierenden Menschen entdeckt er Wahrheiten über "das Leben, die Liebe, Einsamkeit, Endlichkeit, Freundschaft und Tod."
Der Lehrer mit dem altmodisch klingenden Namen Raimund Gregorius ist ein wandelndes Philologen-Lexikon, "da er neben jeder lateinischen und griechischen Textstelle auch jede hebräische im Kopf hatte..." In Windeseile lernt er Portugiesisch, Schritt für Schritt entziffert er die Ausführungen des Amadeo de Prado und geht dessen Lebensspuren nach. Die wie im Kriminalroman angelegte Suche, überraschende Handlungsorte und unerwartete Begegnungen machen die Lektüre so spannend - das fesselt den Leser und macht das Lesevergnügen vollständig.

Pascal Mercier, 1944 in Bern geboren, ist Professor für Philosophie an der Freien Universität Berlin.

Zitat:
"Von tausend Erfahrungen, die wir machen, bringen wir höchstens eine zur Sprache, und auch diese nur zufällig und ohne die Sorgfalt, die sie verdiente. Unter all den stummen Erfahrungen sind diejenigen verborgen, die unserem Leben unbemerkt seine Form, seine Färbung und seine Melodie geben..."
und weiter:
"Wenn es so ist, dass wir nur einen kleinen Teil von dem leben können, was in uns ist - was geschieht mit dem Rest?"

Und auf der letzten Seite:
"Das Leben ist nicht das, was wir leben; es ist das, was wir uns vorstellen zu leben."

Pascal Mercier: Nachtzug nach Lissabon
btb Verlag München 2006

2. April 2007

Fundstück

Natursteinmauer in Schneeberg
Foto: Peter Rost

"Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man etwas Schönes bauen."
(Johann Wolfgang von Goethe)