28. Juni 2007

Hannah Höch in Berlin - Teil 2

Ausstellung "Hannah Höch - Aller Anfang ist DADA"

Einer der bedeutendsten deutschen Künstlerinnen der klassischen Moderne, der in Gotha geborenen Hannah Höch (1889 - 1978), ist die Ausstellung "Hannah Höch - Aller Anfang ist DaDa!" (vom 6. April bis 2. Juli 2007) gewidmet. Gerade noch rechtzeitig vor Schließung der Ausstellung konnten wir (die Familie) die großartige Schau mit ca. 160 Arbeiten aus allen Werkperioden, aber vorrangig aus der dadaistischen Phase und der Zeit nach 1922 erleben. Für meine eigenen Versuche auf dem Gebiet der Collage sind Hannah Höch und Kurt Schwitters die entscheidenden Vorbilder und Anreger - und so war ich sehr gespannt auf die Ausstellung.

Nach dem Tod der Künstlerin konnte die 1975 gegründete Berlinische Galerie ihr umfangreiches Archiv erwerben - es enthält neben den Kunstwerken biografisches Material, die Korrespondenz der Malerin sowie Manuskripte, Bücher und Fotografien, Vorlagenalben und sonstige von ihr gesammelte und aufbewahrte Untrelagen aller Art. Das Archiv wird in einer mehrbändigen Edition "Hannah Höch. Eine Lebenscollage" veröffentlicht. Die ersten beiden Ausgaben umfassen die Jahre 1889 - 1920 und 1921 - 1945 und befinden sich bereits in meiner Bibliothek.

Einige Aspekte haben mich besonders berührt:

Kubus 1926
Erstens die gezeigten großformatigen Ölbilder. Bisher habe ich die größeren Bildwerke weniger beachtet - Hannah Höch thematisiert die in den 20er Jahren aktuellen Beziehungsprobleme zwischen Mann und Frau sowie Rollenerwartungen und Geschlechterstereotype und ihre Collagen bedeuteten mir rein formal mehr. In dieser Ausstellung werden aber aus der Collage kommende surrealistische und nur ästhetischen Maßstäben verpflichtende Darstellungen mit rein abstrakten Kompositionen gezeigt, die mich tief berühren und einen ganz neuen Blick auf die künstlerische Qualität dieser ermöglichen. Mit dem abstrakten Expressionismus dieser Bilder ist sie voll auf der Höhe der Zeit.

Zweitens: Hannah Höch hat oft farbige Motive aus Illustrierten und Katalogen als Ausgangsmaterial für ihre Collagen genutzt. In der Vorkriegszeit sind diese Farbdrucke aus der Warenwelt noch vergleichsweise wenig farbintensiv und oft verschwommen. Dazu kommt die natürliche Alterung der verwendeten Papiere, sodass eine milde Patina auf den Collagen aus dieser Zeit liegt. Ebenso geht es mir - ältere Bildwerke aus den 60er und 70er Jahren sind schon etwas verblichen und expressive Farben gemildert. Dabei gewinnen die Papierbilder; ich habe sogar schon vergilbte Papiere für meine Collagen verwendet, um diesen Effekt zu erzielen. Collagen aus Papieren heutiger Hochglanzillustrierten zeigen zu farbige, glänzende und scharfgezeichnete Darstellungen, die eine ganz andere Collagetechnik und -aussage voraussetzen. Sie kommen vor allem bildhaften, erzählerischen Motiven entgegen, bei rein abstrakten Gestaltungen sind sie mit Vorsicht zu verwenden.

Die Ausstellung zeigt zwei DaDa-Puppen der Hannah Höch; Puppen sind bei vielen Künstlern eigene Werkgruppen, die vielleicht nicht den Anspruch großer Kunstwerke erheben, aber doch die künstlerische und gesellschaftliche Entwicklung dieser Jahre spiegeln. Ich denke da an Paul Klee, der zwischen 1916 und 1925 für seinen Sohn Felix rund 50 Handspielpuppen fertigte oder an Pablo Picasso, der in den 50er Jahren mit den Puppen für seine Tochter Paloma wahre Meisterwerke schuf. Puppen waren auch oft Gegenstand der künstlerischen Auseinandersetzung, so wie bei den Weimarer Malern Alexander von Szpringer (1889 - 1969) und Otto Herbig (1889 - 1971). Diesem Thema - Künstler und Puppen - sollte man einmal nachgehen.

Diese Ausstellung hat wieder Lust auf Arbeit geweckt, seit den 80er Jahren habe ich wenige Collagen gefertigt und einige Motive liegen noch unvollendet im Schrank. Seit der Wende hatten andere Dinge Priorität, aber nun zeichnet sich langsam wieder Zeit und Gelegenheit ab. Für diese umfassende Werkschau der Hannah Höch bin ich sehr dankbar.

Hannah Höch in Berlin - Teil 1

Berlinische Galerie - Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur


Am 23. und 24. Juni 2007 war endlich kurz vor Toresschluss Gelegenheit zum Besuch der Hannah-Höch-Ausstellung in der Berlinischen Galerie - am 2. Juli schließt die Ausstellung.

Dieses "Kunst Museum Berlin" war für uns eine große Entdeckung; für mich als Architekt interessierte natürlich auch das Gebäude in der Alten Jakobstraße 124 - 128 in Berlin-Kreuzberg. Ein ehemaliges Glaslager von 1965, eine 11 m hohe Halle mit einer Grundfläche von 60 x 60 m, mit Bürogebäude und Vorbau innerhalb eines Wohngebietes, das in den 80er Jahren im Rahmen der IBA entstand, wurde nach Entwürfen des Architekten Jörg Fricke als Museum in nur einem Jahr Bauzeit umgebaut und am 22. Oktober 2004 eröffnet. Der Entwurf Frickes hat die schlichte Klarheit des industriellen Zweckbaus weitgehend erhalten. Der Innenraum der Halle mit 10 m Höhe wird durch ein eingebautes Galeriegeschoss in zwei Ebenen gegliedert und durch eine diagonal verlaufende den Raum kreuzende Freitreppe erschlossen. Die obere Ebene ist weitgehend wandfrei, um variable Aufstellungen von flexiblen Stellwandsystemen zu ermöglichen.

Für den Außenraum wurde gemeinsam mit der Senatsverwaltung ein Wettbewerb zwischen eingeladenen Künstlern ausgelobt, in dessen Ergebnis zwei Gestaltungsvorschläge realisiert wurden:

- Die Bodengestaltung und Möblierung übernahm das Architektenteam Kühn Malvezzi. Das auf dem gesamten Vorplatz angelegte 80 m lange Buchstabenfeld (gelb auf schwarz) zeigt die Namen von in der Sammlung des Museums vertretenen Künstlern.
- Der Berliner Künstler Fritz Balthaus entwarf mit seinem Vorschlag "marked space - unmarked space" eine Gestaltungskonzeption für das gesamte Gebäudeensemble.


Blickpunkt der Außenanlage ist eine große Plastik des Bildhauerpaares Brigitte und Martin Matschinsky-Denninghoff "Dreiheit" 1993 aus Chromnickelstahl-Rohrbündeln, die Assoziationen an naturhaftes Wachstum wecken und auf den Oberflächen vielfältige Effekte von Licht und Farbe ermöglichen.

Das ganze Gebäudeensemble stellt eine meisterhaft gelungene städtebauliche Lösung im Wohngebiet dar und zeigt, welche Möglichkeiten auch bei kleinem Finanzbudget bei Umbau und Anpassung vorhandener Bausubstanz bestehen können, wenn sensibel mit ihr umgegangen wird. Die städtebaulich-künstlerische Gestaltungskonzeption von Fritz Balthaus setzt sich mit dem Thema Präsentation der Kunst auseinander und bindet den Gebäudekomplex in sein Umfeld ein bei gleichzeitiger Betonung der gehörigen Aufmerksamkeit.

Auch zu jedem anderen Zeitpunkt ist das Museum einen Besuch wert, es präsentiert in Berlin entstandene Kunst von 1870 bis heute, also von Secession und Dada bis zur zeitgenössischen kreativen Szene Berlins. Selbstverständliche Angebote wie Sonderausstellungen, Archiv, Bibliothek, Café und Museums-Shop komplettieren das Angebot.

Alle Fotos: Peter Rost

20. Juni 2007

"Die Deutschen werden immer reicher"

Eine alberne Überschrift, glauben Sie? Sehen Sie doch mal, was die Bundesbank im letzten Monatsbericht zum besten gibt: danach hat jeder von uns ca. 200.000 Euro auf der Kante.
Weiteres auf
Sixty Five.

19. Juni 2007

"Nackte Musen"

Das Stadtmuseum Weimar zeigt in einer Sonderausstellung "Nackte Musen. Weibliche Aktmodelle um 1900."
Dr. Alf Rößner, Leiter des Stadtmuseums, ist auch Kurator der Sonderausstellung. In eineinhalb- jähriger Arbeit hat er aus dem Nachlass des Weimarer Kunstmalers Heinrich Plühr (1859 - 1953) ca. 500 Glasnegative mit von Plühr angefertigten Stereo-Aktaufnahmen erschlossen und für diese Ausstellung aufbereitet.


Heinrich Plühr, der ab 1883 als Schüler von Max Thedy an der Weimarer Kunstschule studierte, gilt als letzter Künstler der Weimarer Malerschule. Sein künstlerisches Werk ist heute in Weimar nahezu in Vergessenheit geraten. Nach einer Lithographenlehre arbeitete er später als Photograph und "Retoucher." Diese Kenntnisse setzte er bei seinen Stereofotos als Vorstufe für Gemälde ein; sie haben einen eigenen künstlerischen Stellenwert und zeigen Heinrich Plühr als Meister auch dieser künstlerischen Technik. Die Bilder stammen größtenteils aus der sog. "Böcklin-Phase" des Malers, einer Schaffensperiode um 1900 bis zum Ende des 1. Weltkrieges, in der sich Plühr an den Werken Arnold Böcklins (1827 - 1901) orientierte.

Die Ausstellung zeigt Fotoabzüge der Stereofotos; als besondere Attraktion aber Stereoskopien auf Glas in einem großen schwarz bemalten Holzkasten mit Lochpaaren zum Hineinsehen. Neben diesen Stereo-Foto-Karten, die man mit Lorgnetten (einfachen Prismen-/Lupenbrillen) betrachten kann, wurden die Originalfotos vergrößert als Anaglyphenbilder aufbereitet. Bei dieser Technik wird jedes Halbbild jeweils mit einer Komplementärfarbe versehen übereinander projiziert oder gedruckt und mit einer Brille in genau diesen Farben betrachtet: rot - links, cyan - rechts. Dieses Anaglyphenverfahren (Anaglyph = reliefartig, ziseliert, erhaben) entwickelten unabhängig voneinander 1853 der Naturwissenschaftler Wilhelm Rollmann und 1858 J. Ch. D´Almeida.

Die Aufbereitung der Stereofotografien für die Ausstellung übernahmen Jürgen Postel und Peter Kaiser (Perspectrum Nürnberg) für die Echtfarben-Anaglyphendarstellung. Letzterer hat auch kleine Betrachtungsstereoskope aus Pappe mit eingeklebter "Nackten" angefertigt, die käuflich erworben und als Postsendung verschickt werden können

Die Ausstellung wird komplettiert mit einigen Porträts von Heinrich Plühr und Ausstattungsgegenständen aus den Beständen des Stadtmuseums, um die intime Atelieratmosphäre zu unterstreichen, in der die Fotos entstanden sind. Ein ausführlicher Katalog mit der stereoskopischen Wiedergabe aller Aktfotos (500 nummerierte Exemplare wurden aufgelegt) vervollständigt diese kleine, aber feine Ausstellung. Sie ist geöffnet vom 9. Juni bis 9. September 2007.

Heinrich und Emma Plühr 1895Heinrich Plühr und auch seine zweite Ehefrau Katharina verbrachten ihre letzten Lebensjahre in Weimar in Armut. Völlig mittellos erhielten sie erst 1951 (Heinrich Plühr) bzw. 1954 (Katharina Plühr) Altersrenten von 65,- bzw. 80,- DM. Plühr starb am 5. Januar 1953. Seine Grabstätte ist inzwischen neu belegt.

Nachbemerkung: Wer sich für Stereofotografie interessiert, findet alles erforderliche Zubehör bei Peter Kaiser in Nürnberg in seinem Perspektrum 3D-Shop (perspektrum.de). Informativ auch 3dphoto.

4. Juni 2007

Museumsnacht kontra Piraten der Karibik

Hier ist unsere Entscheidung für den Sonnabend Abend: ins Kino anstatt zur Museumsnacht.

Zu den Piratenfilmen bin ich durch den Soundtrack gekommen; im Autoradio hatte ich das Piratenthema des ersten Films "Fluch der Karibik" gehört und aufmerksam geworden, in der Playlist von mdr-figaro gefunden. Da ich von den sinfonischen Klängen mit "der Subtilität einer glühenden Kanonenkugel" gefesselt war, folgte der Kauf der CD´s mit der Musik von Klaus Badelt. Badelt, 1968 in Frankfurt am Main geboren, begann seine Karriere mit Musik für Werbespots und Videospielen. Musik zu den Fernsehfolgen "Peter Strohm" und "Tatort" waren erste Erfolge. 1997 landete er in den Studios von Hans Zimmer in Kalifornien und seitdem ging es nur aufwärts. Die Soundtracks der beiden Fortsetzungen von "Fluch der Karibik" basieren unverkennbar auf der Arbeit zum ersten Film, allerdings wird nur in der CD zum ersten Film Klaus Badelt als Komponist ausgewiesen, die anderen tragen den Namen Zimmer als Komponist. Die musikalische Idee des ersten Films und seine durchschlagende Qualität wird aber meiner Meinung nach in den Fortsetzungen nicht mehr erreicht. Nur das Piraten-Thema scheint immer wieder einprägsam auf, sodass es bereits auch außerhalb der Filme gespielt wird.

Klaus Badelt ist in Deutschland bis heute für viele kein Begriff. Zur Frage nach seiner musikalischen Ausbildung antwortet er: "Ich habe das Abitur - und den Führerschein."

1. Juni 2007

Fundstück

"In einer neuen architektonischen Person erlangt Vision Wirklichkeit. Eine Traumgeschichte wird zur Realität. Herkömmliche Verhältnisse und Sichtweisen werden außer Kraft gesetzt. Traditionelle Werte und innovative Evolution fügen sich zu einem Charisma, das in Bann nimmt, das fordert. Symbole erleben Transformation. Offenkundig selbstbewußt operieren Maßstäbe wider die Norm. Nicht statisch gesetzt, sondern in Reaktion und Interaktion. Körper werden immateriell, Bewegung erhält Körperlichkeit. Die Handlungsmaxime: Kompetenz und Know-how, Präzision und Dynamik sind nicht mehr nur theoretische Faktoren, sondern werden praktisch erfahrbar. In der kreativen Weite offener Dimensionen weiten sich Perspektiven zu Visionen."

Beschreibung eines westfälischen Bürohauses in einer "Capital"-Beilage. (Quelle: Deutsches Architektenblatt Ausgabe Ost Nr. 06/07)

"Stolperstein" in Weimar

Am 23. Mai wurde in Weimar vor der Marienstraße 16 ein erster "Stolperstein" zur Erinnerung an den in Theresienstadt an den Folgen von Deportation und NS-Terror gestorbenen Weimarer Cellisten und Musikpädagogen Eduard Rosé gesetzt. Die "Stolpersteine" sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig, das von diesem 1997 ins Leben gerufen wurde. Ein etwa 10 x 10 x 10 cm großer Quader trägt eine Messingplatte, in die der Schriftzug "Hier wohnte..." und Name und Lebensdaten des jüdischen NS-Opfers eingraviert werden. Diese Platten werden im Gehweg vor den ehemaligen Wohnungen eingepflastert.
Auch in Jena und Ilmenau wurden am 22. und 23. Mai solche "Stolpersteine" gesetzt, am 26. Mai folgte Altenburg. In Weimar wurde dazu ein Initiativkreis gegründet, dem das Bürgerbündnis gegen Rechts, die Netzwerkstelle, das Soziokulturelle Zentrum Gerberstraße und Stattreisen angehören.

Gunter Demnig wurde 1947 in Berlin geboren, nach dem Studium von Kunstpädagogik, Industrial Design und Freier Kunst entwickelte er bereits 1993 den Entwurf für das Kunstprojekt "Stolpersteine". Die erste illegale (später legalisierte) Verlegung eines solchen "Stolpersteins" erfolgte 1997 in Berlin-Kreuzberg. Inzwischen sind 11.500 Steine in 236 Ortschaften in Deutschland, Österreich und Ungarn verlegt worden. 2005 erhielt Gunter Demnig für seine Aktivitäten das Bundesverdienstkreuz.


Verlegung in Weimar am 23. Mai

Foto: TLZ

Warum ich über diese Aktion in meinem Blog schreibe?
Schon lange tragen wir uns mit dem Gedanken, einen solchen Stolperstein vor unserem Hauseingang setzen zu lassen - zur Erinnerung an die jüdische Malerin Lucy Ortlepp geb. Bock, die hier lebte und 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wurde. Seit einigen Jahren recherchiere ich Leben und Werk der in Weimar schon fast vergessenen Künstlerin und arbeite gegenwärtig an den Vorbereitungen für eine Monografie. Um die Erinnerung an diese Frau und ihr Schicksal wachzuhalten, haben wir Christiane Weber für ihre Veröffentlichungen "Villen in Weimar" Unterlagen zur Verfügung gestellt (in Band 2 aufgenommen). Auch für den Band über jüdische Familien in Weimar der Weimarer Schriften sind dem Autor Harry Stein Angaben und Fotos bereitgestellt worden. Auf die Geschichte der Lucy Ortlepp bin ich bei den baugeschichtlichen Untersuchungen unseres Hauses gestoßen.

Voraussichtlich im Mai 2008 startet in Weimar die nächste Aktion des Künstlers - dann werden wir mit dabei sein.